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Teilerfolg der Piratenpartei bei der Europawahl

Ein bißchen spät verarbeite ich meine Gedanken zur Europawahl zu einem Blogeintrag. An der Spitze sieht es aus wie immer in letzter Zeit, die CDU/CSU hat am wenigsten Stimmanteile verloren und sieht sich daher als Sieger. Der Misthaufen, auf dem die meisten Fliegen landen, hat nun mal gewonnen, zumal der Haufen von Frau Merkel auch original italienische Faschisten-Scheiße beinhaltet, Berlusconi sei Dank.

Die SPD hat wieder mal richtig verloren, obwohl das neue Zugpferd Frank-Walter Steinmeier blühende Landschaften einen nach oben gehenden roten Balken versprochen hatte. Aber die Schuldfrage, warum der schwarze Balken dann doch länger war als der rote, war schnell geklärt: Der Nichtwähler ist Schuld. Also, nicht der Nicht-SPD-Wähler, sondern der Ãœberhaupt-Nichtwähler. Diese stellt mit 56,7% in Deutschland nämlich die stärkste Fraktion, europaweit mit 56,5% nur unwesentlich weniger. Vielleicht sollte man zur Verbildlichung der Nichtwählerproblematik eine Nichtwählerliste aufstellen, mit Dschungelcamp-B-, -C- und -D-Promis und je nachdem, wie hoch der Anteil der Nichtwähler ist, zieht die entsprechende Anzahl „Kandidaten“ über diese Liste in die Parlamente ein. Dann wäre vielleicht Werner Böhm bald Bundeskanzler, Desiree Nick Außenministerin und Daniel Küblböck Familienminister. Schlechter könnten die das auch nicht machen und wenn doch, wird die Wahlbeteiligung bei der darauffolgenden Wahl hoffentlich höher sein.

Meine Stadt Schleswig war übrigens besonders wahlmüde, nicht einmal 31% machten von ihrem Grundrecht Gebrauch und auch hier lag die CDU vorn. Doch immerhin gab es 47 Stimmen für die Piratenpartei, das ist mit 0,8% nur knapp weniger als der Bundesdurchschnitt (0,9%). Damit liegen die Piraten auf Rang 8 der Wählergunst, von 31 Parteien. Bei den „Sonstigen“ wurden sie nur von der Tierschutzpartei (1,1%) und den Rentnern (1,0%) geschlagen.

Die Piratenpartei hat also ihr Ziel – die 5%-Marke war nie ein Thema – erreicht, mehr als 0,5% Stimmen zu bekommen. Das bedeutet nämlich, dass die Partei Geld vom Staat bekommt. Damit ist die „Kriegskasse“, um mal einen martialischen Begriff zu verwenden, der Piraten prall gefüllt für den Bundestagswahlkampf. Wahlkampf – wieder ein martialischer Begriff, womit wir beim nächsten Thema sind.

Politische Gegner (sind nicht die Christen auch nur eine organisierte Verbrecherbande?) und Freunde reiben sich an dem Namen der Piratenpartei. Die Süddeutsche Zeitung hat dazu – bezeichnenderweise in der Rubrik „Kultur“ – einen Artikel veröffentlicht, der die Kritik auf die Mastspitze treibt:

Die Symbolfigur dieser Partei ist der Pirat, ihr Banner zeigt das schwarze Segel. Tatsächlich verbindet diese Partei mehr mit der Piraterie, als ihr selbst lieb sein mag. Nicht nur dass ihr Bewusstsein fehlt, etwas Verbotenes zu schützen und zu befördern. Mehr noch, sie inszeniert den Aufstand der Besitzlosen gegen Reichtum und Macht. Das Internet ist ihre karibische See. Darauf kreuzen die mit teurer Fracht beladenen Lastschiffe, die der spanischen Krone gehören – aber der Pirat, ein notorischer Verlierer, der sich in einen Gewinner zu verwandeln trachtet, erkennt die herrschenden Eigentumsverhältnisse nicht an. Er will sie, in einzelnen Portionen wenigstens, zu seinen Gunsten verändern.

Immer wieder wird auch das Seemannsgarn verbreitet, die Piratenpartei sei „eine Partei von jungen Leuten, die zwar keine Seeräuber sind, sich aber für das freie Herunterladen von Film und Musik im Internet einsetzen. Online-Piraterie eben.“ (Bild) und „Im Grunde wollen sie im Internet möglichst viel Zeug kostenlos herunterladen und ungestraft Killerspiele spielen.“ (Stuttgarter Zeitung via Aphex3k) Man hat also einerseits Probleme mit der Namensgebung der Partei und hat andererseits deren Ziele in keinster Weise verstanden bzw. gibt sie verfremdet wieder, denn von Qualitätsjournalisten darf doch erwartet werden, dass sie sich mit den Themen, über die sie schreiben, auch befassen. Umso trauriger, dass das nicht mal die Godmother of Qualitätsjournalismus, die Deutsche Presseagentur (dpa), tut.

In der digitalen Welt wird die Piratenpartei durch diese Berichterstattungen sicher noch mehr Zulauf erhalten, ich war so schon sehr überrascht, wer sich beispielsweise in meiner Twitter-Timeline alles zur Piratenpartei bekannte. Meine Twitter-Homies in Flensburg und Kiel schafften 2,1% bzw. 2,0% Stimmen für die Piraten (2010 ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein!). Die Herausforderung zur Bundestagswahl – BTW bitte unterstützt die Piratenpartei mit eurer Unterschrift, damit sie zur Bundestagswahl 2009 antreten kann (ihr müßt sie ja nicht wählen, sondern ihr nur die Möglichkeit geben, gewählt zu werden) – ist, das Parteiprogramm in die analoge Welt zu transportieren, gerade die Punkte Schutz der Privatsphäre und Datenschutz sollten angesichts der immer wieder auftretenden Datenaffären auf offene Ohren treffen. Sehr gut machte das Jens Seipenbusch schon im September 2007 beim Elektrischen Reporter:

DirektTeil1

DirektTeil2

Es gibt also genug Punkte im Programm, die über „möglichst viel Zeug kostenlos herunterladen“ hinausgehen, das müssen dann nur die Medien auch transportieren.

Ach so, ich möchte natürlich nicht verschweigen, dass es ein Pirat geschafft hat, im Europaparlament festzumachen, denn in Schweden, dem Mutterland der Piratenbewegung, wurde die Piratenpartei mit 7,1% drittstärkste Kraft. Das bedeutet einen Sitz in Brüssel, den Christian Engström besetzen wird.