Schlagwort: Stasi 2.0

Überwachung bringt Sicherheit. Nicht.

Bisher habe ich zur Veranschaulichung, dass totale Überwachung nicht völlige Sicherheit bedeutet, immer das Beispiel London genommen. Jetzt genügt ein Blick nach Hamburg:

„In den drei Jahren seit dem Beginn der Videoüberwachung an der Hamburger Reeperbahn hat die Zahl einiger Delikte zugenommen.“ (Heise)

Benjamin Franklin hatte also Recht: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“

TV-Tipp: Nackt aber sicher? Wie viel Freiheit verträgt die Demokratie?

Heute abend um 21 Uhr bringt der WDR in der Reihe „Quarks & Co“ (mit Ranga Yogeshwar) eine Sendung zum Thema „Nackt aber sicher? Wie viel Sicherheit verträgt die Demokratie?„:

Bringen immer neue Scanner tatsächlich mehr Sicherheit? Oder geben wir die Freiheit auf, die wir eigentlich schützen wollen? Als Gäste im Quarks & Co-Studio: der Psychologe Thomas Kliche. Er erklärt warum die Angst unser Verhalten bestimmt. Und der Soziologe Andrej Holm. Er wurde als Terrorist verhaftet, bis der Bundesgerichtshof den Haftbefehl aufhob.

Die Ankündigung klingt recht vielversprechend und Andrej Holm kann eigene Erlebnisse mit dem Überwachungsstaat beisteuern.

(via Annalist)

Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates

Nach dem gestrigen Urteil gegen die sog. Sauerland-Gruppe sehen sich diejenigen bestätigt, die am Dienstag eine rasche Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung gefordert hatten. Nur durch die Wohnraum- und Kommunikationsüberwachung konnten die Terroristen festgenommen und womöglich ein Blutbad verhindert werden. Allerdings, so Steffen Hebestreit in der Frankfurter Rundschau, habe das Urteil gezeigt,

…dass der Rechtsstaat ungeachtet aller Unkenrufe durchaus in der Lage ist, gegen seine Feinde zu bestehen. Ohne Vorratsdatenspeicherung. Ohne BKA-Gesetz. Ohne Online-Durchsuchung. Sondern allein durch saubere Polizeiarbeit.

Und fügt hinzu, dass „die Ermittler mehr als einmal Glück bei ihrer Fahndung“ hatten. Aber auch die Bürgerrechte hätten Glück gehabt, denn:

Es braucht nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, welche politischen Debatten Deutschland geführt und welche Gesetze es in Windeseile erlassen hätte, wenn es Fritz Gelowicz und Konsorten gelungen wäre, ihre mörderischen Pläne in die Tat umzusetzen: Die Bürgerrechte wären auf eine nie gekannte Art und Weise beschnitten worden.

Bei aller Hoffnung, durch Überwachungsmethoden Verbrechen verhindern zu können, darf aber nie vergessen werden, dass derjenige, der etwas Böses im Schilde führt, durchaus in der Lage ist, sich auf die Maßnahmen einzustellen und diese zu umgehen. So wird im Grundkurs für islamistische Terroristen garantiert behandelt, dass man sich so viele Prepaidkarten, die auf andere Personen registriert sind, wie möglich besorgen soll, um die Auswertung des Bewegungsprofiles und der Kommunikation zu erschweren. Wer dagegen als unbescholtener Bürger in die Mühlen des Überwachungsstaates gerät, wird es in der Regel erst bemerken, wenn es zu spät ist und die Polizei vor der Tür steht, wie im Fall Andrej Holm beispielsweise. Ein ähnliches Schicksal beschreibt ein hörens- oder lesenswertes Feature des Deutschlandfunks: „Kafka, Kanzler und da knackt nichts (Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates)„:

Ein junger Mann erfährt durch eine Panne bei seinem Mobilfunkbetreiber, dass er von Verfassungsschutz und BKA abgehört wird. In einer Zeitung, der Polizisten die Abhörprotokolle verkauft haben, liest er ein Gespräch seiner Freundin im Wortlaut. Die Schlagzeile, seine Verhaftung als angeblicher Gründer der terroristischen Vereinigung „Militante Gruppe“ stehe unmittelbar bevor, lässt ihn wochenlang bei jedem Geräusch hochschrecken.

Alles aufgrund einer Verkettung von Umständen, die von den Ermittlungsbehörden falsch gedeutet wird.

Übrigens habe ich noch über Cory Doctorows Vision von verwanzten Laptops an Schulen aus „Little Brother“ geschmunzelt, bis es Realität wurde.