Kategorie: Digital

Blut ist dicker als Wahrheit

Warum Ursula von der Leyen Glücksspielseiten nicht sperren wollte:

Als nun die hessische Landesregierung und die Staatliche Bayrische Lotterieverwaltung die Provider auf freiwillige Zugangssperren zu den Online Casinos drängten, um damit die deutschen Nutzer auch von den Online-Casinos von Herrn Albrecht fernzuhalten, hat dieser diskret aber erfolgreich seine Schwester, die deutsche Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, gegen das Vorhaben intervenieren lassen. (Quelle: Focus)

Wie sagte Zensursula so schön: „Familie ist weiterhin ganz stark“ – besonders ihre eigene.

Zitat: Lanu

Der Internetzensur entgegentreten

Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll, was die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD am 22.04.2008 als Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht haben:

[…]

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

[…]

9. im Rahmen aller genannten Forderungen auch und insbesondere die Zensur im Internet zu thematisieren und dieser entgegenzutreten.

Berlin, den 22. April 2008
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

Der Antrag ist betitelt mit „Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit weltweit durchsetzen und der Internetzensur entgegentreten“ und das entscheidende Wort lautet „weltweit“ und meint vermutlich „überall, nur nicht bei uns“. Ein Absatz daraus lautet:

Die rasante Entwicklung des Internets seit den 1990er Jahren hat die Hoffnung genährt, dass mit dem World Wide Web ein Medium entstanden ist, welches die klassische Zensur außer Kraft setzen und den Menschen weltweit den freien Zugang zu Informationen und Nachrichten gewähren könne. Die meisten Gegner der Pressefreiheit haben aber ebenfalls schnell den Anschluss an die digitale Revolution gefunden und sind zunehmend erfolgreich im Kampf gegen die Pressefreiheit im Internet. Bereits mehr als ein Drittel der inhaftierten Journalisten wurde allein aufgrund von Beiträgen im Internet verurteilt.

Dann sollen die Damen und Herren aus den Fraktionen doch nicht in der Ferne schweifen, sondern einfach mal bei Andrej Holm und Theodor Reppe nachfragen, wie das hier in Deutschland so aussieht.

(via Sikk)

Ein ♥ für Blogs

Kai Müller von Stylespion.de hat „Ein ♥ für Blogs“ ins Leben gerufen, eine Aktion, bei der möglichst viele Blogger heute ihre deutschsprachigen Lieblingsblogs vorstellen sollen.

Mir fällt es ein wenig schwer, aus den Blogs, die ich täglich lese, meine Lieblinge zu benennen, aber ich werde so an die Sache herangehen, dass ich Blogs empfehle, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Zunächst möchte ich aber noch auf meine Blogroll hinweisen, dort gibt es neben einigen der bekanntesten deutschen Blogs wie Spreeblick, BILDblog, Lummaland und Netzpolitik.org, das waren glaube ich sogar die ersten Blogs, die ich gelesen habe, auch einige der unbekanntesten deutschen Blogs. Denn genauso wie ich ein Randgruppenblog schreibe, lese ich auch gern in anderen Randgruppenblogs. Meinen gesamten Feedreader-Inhalt könnt ihr bei Toluu einsehen.

Hier sind also nun meine handverlesenen Lesetipps:

Alice Hive ist eine junge Musikerin aus dem Süden der Republik. Sie bloggt noch gar nicht so lange, schreibt aber häufig Artikel, die ich so noch nicht in der Blogosphäre gefunden habe. Von Themen speziell für Musiker bis zu Beiträgen zur persönlichen Entwicklung, die für alle interessant sind, reicht ihre schöpferische Palette.

Freunden der gepflegten Indie-Musik sei Coast is Clear aus Kiel ans ♥ gelegt, hier sagt bereits der Untertitel alles: Der Indie-Pop-/Shoegaze-/Wave-/Tweepop-/ Electropop- und MP3-Blog – jeden Tag legale kostenlose Downloads neuer und guter Indie-Musik, vor allem aus Skandinavien, Nordamerika & England. Plus etwas Culture Jamming. Als weiterführende Lektüre zum Thema „Culture Jamming“ gibt es vom selben Autor Konsumpf – Forum für kreative Konsumkritik.

Ein weiterer kritischer Kopf und einer der kreativsten Photo-Shop-Künstler im deutschsprachigen Internet ist der Pantoffelpunk, der vor 3 Jahren einmal eine Riesen-Story hatte, dann aber glücklicherweise wieder im Untergrund verschwand. Wem sein ♥ links schlägt, idealerweise auch für den FC St. Pauli und wer schrägen Humor versteht, der ist bei diesem sympathischen Linksextremen an der richtigen Internet-Adresse. Zeitweise kann es allerdings zu Ska-Musik kommen, dann einfach Ton aus machen. 😉

Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass euch wirklich jedes einzelne Blog auf meiner Blogroll und bei Toluu ans ♥ gelegt ist! Alle Reaktionen auf die Aktion könnt ihr über Rivva verfolgen. Damit haben wir jetzt alle Lesestoff bis mindestens zum nächsten „Ein ♥ für Blogs“-Tag. 🙂

#Zensursula

Eigentlich sehe ich mich selbst nicht als Internetexperten. Das Internet gehört zwar zu meinem täglichen Leben dazu, aber ich atme schließlich auch seit über 40 Jahren und bin deshalb noch lange kein Fachmann für Atmung. Ich mußte aber in Diskussionen über das Thema „Zensursula“ feststellen, dass ich über Expertenwissen in Sachen Internet verfüge, das dem gemeinen Internet-Nutzer und Wähler (Don’t forget, it’s Wahlkampf!) abgeht. Zu gern werden die Argumente der Familienministerin – die es vermutlich selbst nicht besser weiß – für eine Internetsperre geglaubt, obwohl es sich hierbei um ein Lügengebilde handelt. Das verschweigen aber die Medien, denn Frau von der Leyen hat perfide die Kinderpornografie als Deckel für ihre Internetzensur verwendet. Und wer mag ihr da Unredliches unterstellen, wo sie doch nur das Wohl der Kinder im Sinn hat? Natürlich muß jegliche Gewalt gegen Kinder unterbunden, verhindert und verfolgt werden, darüber kann es keine zwei Meinungen geben. Faktisch ist es aber so, dass die Sperrung der Internetseiten nicht ein einziges Kind vor Mißbrauch schützen wird, der zwischen dem BKA und den führenden Internetprovidern (meiner ist nicht darunter) geschlossene Vertrag hingegen die Grundlage für eine weitreichende Zensur im Internet darstellen kann.

Schon die Argumentationskette von Zensursula ist sehr fragil: Es werden Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt, damit keine Nutzer arglos darauf stoßen und womöglich Gefallen daran finden, die Anbieter der Inhalte machen dadurch weniger Gewinne und wenden sich anständigen Tätigkeiten zu. Heile Welt.

Die Sperre der Internetseiten ist recht einfach zu umgehen, so dass es den Zugriff nur leicht erschwert, aber nicht unmöglich macht. Dieser Umstand ist auch der Ministerin bekannt, sie will ja aber auch nur den „Einstieg in die Abhängigkeit verhindern„. Geht es ihr eigentlich um das Wohl der Kinder oder um das der Konsumenten? Zensursula scheint nicht davon auszugehen, dass es sich um eine dunkle KiPo-Szene oder ein -Millieue handelt, die geht fest von einem Industriezweig aus, der „monatlich Millionenbeträge“ erwirschafte. Das mit den Gewinnen ist zumindest anzuzweifeln, es ist aber auch völlig unerheblich, ob das „Material“ kostenlos weitergegeben wird oder gegen Bezahlung. Und es ist auch nicht so, dass die Verbreitung dieses „Materials“ nur über das Internet in der Form erfolgt, die durch die Sperrung abgeschnitten werden soll, Usenet, Chat, Foren und E-Mail bleiben unberührt. Daher kann diese Aktion von Zensursula nicht als Schlag gegen die Kinderporno-Szene gewertet werden.

Man darf ja nicht vergessen, dass auch Frau von der Leyen im September wiedergewählt werden möchte und nachdem ihr großes Projekt „Elterngeld“ nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat, kommt nun eben die Makulatur gegen Kinderpornografie. Die Kritik kommt dabei nicht nur von Bloggern wie mir oder den Experten des Chaos Computer Clubs, sondern auch von Mißbrauchsopfern: Christian Bahls, Vorsitzender der Initiative Mogis („Mißbrauchsopfer gegen Internetsperren“), erklärte der Zeit, warum er den Plan der Familienministerin ablehnt:

Weil er Kinderpornografie nicht bekämpft. Da ist irgendwo im Internet ein Missbrauch dokumentiert und die Bundesregierung schaut weg. Und sagt uns Bürgern, wir sollen auch wegschauen. Was noch viel krasser ist: Es werden zwischen den Staaten nur die Sperrlisten für die Filter ausgetauscht. Doch niemand bekämpft in seinem eigenen Land die Server, auf denen die Inhalte lagern. Wenn die zu den 1.500 Adressen gehörenden Server in den USA, Holland, Kanada und Deutschland dicht gemacht würden, die derzeit existieren, wären 90 Prozent der weltweit mit einem Browser erreichbaren Kinderpornografie nicht mehr verfügbar.

Der CCC widmet sich der Sperrliste an sich:

„Unsere grundsätzliche Kritik bezieht sich auf die mit der Sperrung einhergehende grundlegende Einschränkung von Freiheitsrechten, da die Zensurliste unter ausgesprochen fragwürdigen Umständen zustande kommen soll“

Das BKA soll diese Liste erstellen und an die Provider weiterleiten, die dann die sofortige Sperre durchführen müssen. Eine richterliche Überprüfung findet nicht statt, das BKA kann also machen, was es will. Beispiele aus anderen Ländern, die bereits mit solchen Listen arbeiten, zeigen, dass nicht nur Seiten mit kinderpornografischen Inhalten ausgeblendet werden. Auch zeigte sich die schwedische Polizei höchst unzufrieden:

„Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornografie zu vermindern“

Schade, Frau von der Leyen, waren doch gerade die Schweden ihr großes Vorbild in Sachen Sperrliste. Ihr Glück ist nur, dass sie außerhalb des Netzes nicht als #Zensursula bekannt werden, sondern als die taffe Familienministerin, die so viel für die Kinder tut, auch im bösen Internet.