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Angriff auf die Freiheit – Rettet die Grundrechte! (Update)

Gerhart Baum und Ilija Trojanow auf der Frankfurter Buchmesse am 15.10.2009. (Screenshot: ZDF)

Gestern gab es anläßlich der Frankfurter Buchmesse ein Gespräch mit Gerhart Baum und Ilija Trojanow, die beide kürzlich ein Buch zum Thema Sicherheit und Freiheit und warum sich beides ausschließt herausgebracht haben. Das Werk von Trojanow, „Angriff auf die Freiheit„, das er zusammen mit Juli Zeh geschrieben hat, habe ich bereits vorgestellt und es liegt noch immer angelesen auf meinem Nachtschrank. „Rettet die Grundrechte!“ von Gerhart Baum (FDP), Bundesinnenminister von 1976 bis 1982 unter Helmut Schmidt, geht in die gleiche Richtung und daher bestand zwischen den Autoren eine große Übereinstimmung. Es ging auf der Buchmesse verständlicherweise auch mehr um die Vorstellung der Bücher als um eine kontroverse Diskussion. Dafür liefern die Autoren aber gute Zusammenfassungen aus ihren Büchern und Denkanstöße für die, die noch immer nicht erkannt haben, warum das Thema so imens wichtig ist..

Hier kann man das Gespräch noch einmal als Video sehen oder dort zum Hören herunterladen. 30 Minuten Lebenszeit, die mal sinnvoll angelegt sind und unbedingt investiert werden sollten.

Trojanow unterstützt ja offen die Piratenpartei, Gerhart Baum ist leider vertraglich an die FDP gebunden, ist dort aber ein wichtiger Verbündeter. Er war zu der Zeit Bundesinnenminister, die als „Deutscher Herbst“ in die Geschichte einging. Ich würde gern wissen, wie er die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Bezug auf die Bürgerrechte einschätzt, dazu werden wir hoffentlich noch etwas hören oder lesen.

Zu lesen bekam ich in den letzten Tagen einige Meldungen, die gut zum Thema passen und die aufzeigen, wie weit es schon gekommen ist mit dem Überwachungswahn:

  • In den USA soll ein Sechsjähriger der Schule 45 Tage in eine Besserungsanstalt, weil er voller Stolz sein Campingbesteck mitbrachte, das er als Pfadfinder bekommen hatte. Eigentlich nur verständlich, denn es werden zur Terrorabwehr schließlich auch Nagelfeilen auf Flughäfen einkassiert, aber eine vergleichsweise drakonische Strafe ist hier meiner Meinung nicht angebracht.
  • In Niedersachsen werden Besucher von Moscheen ungefähr 7 mal im Jahr einer Ausweiskontrolle unterzogen. Innenminister Schünemann sieht darin aber keinen Generalverdacht. Viele Gläubige verzichten NDRinfo zufolge aber bereits auf den Moscheebesuch, wenn sie Polizeipräsenz bemerken. Und womit? Mit Recht.
  • Und in England muß sich jeder registrieren lassen, der mit Kindern zu tun hat, die nicht die eigenen sind. Dabei wird auch ein Risiko-Profil von verdächtigen Personen unter Berücksichtigung von „Interessen, Einstellungen, Beziehungen und Lifestyle“ erstellt. Wenn also eine Putzfrau in einem Haushalt mit Kindern tätig sein will, dann muß sie sich bei der „Independent Safeguarding Authority (ISA)“ registrieren lassen. Tut sie das nicht, drohen 5000 Pfund Strafe und ein Umgangsverbot mit Kindern.

Diese Maßnahmen hinterlassen zumindest bei mir nicht das Gefühl der Sicherheit, sondern ein ganz mulmiges.

Update: Die von mir gewünschte Stellungnahme von Gerhart Baum zu den Koalitionsverhandlungen ließ nicht lange auf sich warten, der WDR hat ihn heute morgen interviewt. Er sieht die Vereinbarung zum Zugangserscherungsgesetz als klaren Sieg für seine Partei:

Die FDP hat hier ganz klar Bürgerrechte durchgesetzt und gestärkt. Das ist das Ziel auch für die weitere Arbeit in der Bundesregierung. Wir haben hier auf Feldern gekämpft und gewonnen, auf denen die SPD sich nur halbherzig reingehängt hatte oder schnell eingeknickt ist. Außerdem hat es sich gezeigt, dass der Satz von Herrn Bosbach, dass es keine Änderungen geben werde, schlichtweg nicht stimmt. Und das freut mich.

Die Zeit spricht allerdings von einem Pyrrhus-Sieg.

Ilija Trojanow empfiehlt die Piratenpartei

Die männliche Hälfte des Autoren-Duos Juli Zeh und Ilija Trojanow („Angriff auf die Freiheit„) empfiehlt im Gegensatz zu seiner Kollegin, die noch immer an der SPD hängt, ausdrücklich, die Piratenpartei zu wählen. Und dass ausgerechnet in einem Kommentar in der taz, die zuletzt nicht gerade positiv über die Piraten berichtete. Dabei wendet er sich besonders an die Nichtwähler, denen er rät:

Such dir das Thema aus, das dich momentan am meisten berührt, bedroht, belastet. Und überleg dir, welche Partei diesem Thema am ehesten gerecht wird. […] für mich sind es die individuellen Freiheiten, die bei uns seit mehr als einem Jahrzehnt systematisch untergraben werden, der Datenschutz und die Verteidigung der Privatsphäre. Welche Partei also wird (bei allen Unwägbarkeiten) die Bürgerrechte am ehesten schützen?

[…]

Da bleibt nur, der aufmerksame Leser hat es bestimmt schon erraten, die Piratenpartei. Ihr Eintreten für die Bürgerrechte und die Freiheit im Netz ist (momentan noch) über jeden Zweifel erhaben; ebenso ihre Bereitschaft, den Datenschutz umfassend auszubauen. Zudem würde mit dieser Partei etwas virtueller Sachverstand in einen Bundestag ziehen, in dem manche sich „das Internet ausdrucken“ lassen, während andere die E-Mail als Beispiel für modernste Informationstechnologie herausstellen. Und vor allem würde ein wenig frischer, hier und da vielleicht sogar anarchistischer Wind durch die verspiegelten Hallen der Macht pfeifen – und auch das täte not.

Klarmachen zum Ändern!