Schleswig, die selbsternannte freundliche Kulturstadt, die älteste Stadt Nordeuropas, hat ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Oberhaupt. Ganz Schleswig? Nun, das werden wir sehen, wenn es nach der lokalen Presse und dem Rentner Karsten Lietz geht. Daß insbesondere der Lokalredaktion des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (sh:z) fast jedes Mittel Recht ist, Thorsten Dahl zu schaden, hat als trauriger Höhepunkt die Berichterstattung gezeigt, die Lebensgefährtin des Bürgermeisters habe wegen Körperverletzung Anzeige gegen ihn erstattet. Das war im Mai dieses Jahres, noch im selben Monat wurde das Verfahren „mangels Beweise“ eingestellt, Dahls Freundin sei nicht geschlagen worden, gab sie bekannt und habe auch keinen Strafantrag gestellt. Eine von zwei weiteren „Auffälligkeiten um den Schleswiger Bürgermeister“, die „die Gemüter erhitzen“. beschreibt der sh:z am 19.06.2008 so:
Dezember 2006: Ein Fall für die Polizei: Bürgermeister Thorsten Dahl ist mit einer Begleiterin abends auf einem Parkplatz nahe dem Wikingermuseum unterwegs, wird von einem Exhibitionisten angegriffen. Dahl hatte den Mann bemerkt, wie er vor einem Gebüsch onanierte, Dahl geht auf ihn zu, fotografiert ihn, der Mann greift Dahl an, der kann fliehen.
Das muß man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen, dem Bürgermeister von Schleswig wird angelastet, dass er einen onanierenden Exhibitionisten bei der Ausübung seines Hobbys stört. Ich weiß jetzt gar nicht, ob die „Bild“-Zeitung auf diese Idee kommen würde, die Schleswiger Lokal-Presse hat aber nicht viel mehr aufzubieten. Ach neh, da war ja noch die Geschichte, dass Thorsten Dahl bei eBay Sex-Spielzeug ersteigert hatte und auf seiner „mich-Seite“ die Schleswiger Internetpräsenz verlinkte. Darauf ist sogar die „BILD“-Zeitung angesprungen.
Auch die Schleswiger CDU ist nicht gut auf Thorsten Dahl zu sprechen, ist er doch nach 22 Jahren Mitgliedschaft im vergangenen Jahr aus der Partei ausgetreten. Ende 2007 hat er sich dann bei der Bürgermeisterwahl zunächst gegen den CDU-Kandidaten und in der Stichwahl auch gegen den Vertreter der SPD durchgesetzt und damit seine zweite Amtszeit eingeläutet.
Nun hat die lokale Presse einen Mitstreiter bekommen, der sich für’s Grobe zuständig fühlt und die Abwahl des Bürgermeisters erreichen will. Eine Unterschriftensammlung ist schon in Gange. Ob und inwiefern ein Zusammenhang zwischen Herrn Karsten Lietz und der Stadtredaktionen von sh:z und Flensborg Avis besteht, ist mir nicht bekannt, die Presse nimmt das Engagement des Schleswiger Rentners aber dankbar und ausführlich an. So gab es in den Schleswiger Nachrichten vom Freitag ein langes Interview mit Karsten Lietz, zu dem Thorsten Dahl auf seiner Webseite Stellung bezieht. Laut Aussage des Bürgermeisters war Herr Lietz zu keinem persönlichen Gespräch mit ihm bereit bzw. nicht einmal zu sprechen.
Aber auch bei dieser Kampagne gegen Dahl verläßt sich die Lokalredaktion des sh:z nicht nur auf Fakten – die ohnehin auf wackeligen Beinen stehen, sondern stilisiert auch die fragwürdigen Ergebnisse ihrer eigenen Online-Umfrage zum Manipulationsskandal hoch. Am Donnerstag, einen Tag nach dem Start der Umfrage, meldete die Zeitung stolz, dass sich 38,3% der Umfrageteilnehmer für eine Abwahl des Bürgermeisters aussprachen – auf der anderen Seiten waren natürlich auch 52,3% dagegen. Eine Ausgabe später war der Zwischenstand mehr nach dem Geschmack der Zeitungsmacher: 64,5% waren nun dafür, dass Dahl seinen Posten räumen muß und nur noch 31,7% unterstützten den Bürgermeister. Die heutige Ausgabe förderte schließlich den handfesten Skandal zu Tage: „Dahl-Abwahl: Umfrage im Internet massiv manipuliert“ titelten die Schleswiger Nachrichten im Lokalteil. Was war geschehen?
Innerhalb von drei Stunden schoss die Zahl der Stimmen für den Bürgermeister kräftig nach oben. Dahls Stimmenanteil verdreifachte sich. Der sh:z-Computer registrierte mehr als 1600 Klicks. Auffällig: Der Artikel, der mit der Umfrage verknüpft war, wurde in der gleichen Zeit nur 300 Mal aufgerufen. Das heißt: Durchschnittlich muss jeder Dahl-Unterstützer mehr als fünf Mal für den Bürgermeister gestimmt haben.
Das man eine Umfrage im Internet, die ohne IP-Sperre oder sonstiger Legitimation auskommt, nur mit äußerster Vorsicht genießen kann, wissen die Online-Redakteure des sh:z nun also auch. Mathias hat das ganze Ausmaß genauer unter die Lupe genommen. Sein Fazit:
Entweder kennt sich der shz mit Onlineumfragen nicht die Bohne aus, oder diese Aktion ist ein weiterer Versuch einem Politiker Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Bei Onlineumfragen gibt es genügend technische Mittel, Mehrfachabstimmungen, wie sie hier beschrieben wurden zu unterbinden. Die Integration einer Umfragetechnik, die dies bewerkstelligt ist sicher kein Hexenwerk und wird im WWW täglich tausendfach angewendet. Wenn man also eine Umfrage einstellt, vor allem als Verlagshaus, welches sich im Internet präsentiert, sollte man um dieses Tatsache wissen.
Damit hat er absolut Recht, beim THW Kiel regt sich auch niemand mehr auf, wenn Christian Zeitz von seinen Groupies zum Spieler des Monats gewählt wird.
Aber sollte Karsten Lietz seine 4.122 Unterschriften zusammen bekommen, die für die Abwahl des Bürgermeisters vonnöten sind, werden wir im nächsten Jahr, vermutlich nach dem 07.06.2009 (Europa-Wahl) oder dem 27.09.2009 (Bundestagswahl) wissen, wie Schleswig wirklich über die Zukunft seines Bürgermeisters entschieden hat. Und da ist es wie bei Monty Python’s Das Leben des Brian: Jeder nur ein Kreuz.