Späte Vaterfreuden sind umso größer

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ich im Juni Vater von 2 kleinen Jungs wurde. Vielleicht ist ihm auch aufgefallen, dass dies nicht meine einzigen Vaterfreuden in diesem Jahr waren. Meine erste Vaterschaft liegt fast 20 Jahre zurück und man konnte sie bislang nicht als ruhmreich bezeichnen. Das änderte sich erst vor einem guten halben Jahr.

Aber blicken wir zurück: Im Mai geschichtsträchtigen Jahr 1989 wurde ein kleines Mädchen geboren, dass aus einer jungen großen Liebe entstand, die allerdings schon erloschen war. Ich war damals leider nicht im Stande, Kontakt zu meiner kleinen Tochter aufzunehmen und kurze Zeit später heiratete ihre Mutter einen anderen Mann und zog mit ihm und dem Kind über 500 km weit weg nach NRW. So wuchs meine Tochter zwar ohne mich, aber nicht ohne Vater auf, denn bis zur Scheidung ihrer „Eltern“ vor 3 Jahren wußte sie nichts von meiner Existenz. Ich hatte all die Jahre nur Kontakt zum Jugendamt und malte mir schon mal aus, wie es wäre, wenn eines Tages eine junge Frau vor meiner Tür steht und sagt, sie wäre meine Tochter. Auch „Nur die Liebe zählt“ mit Kai Pflaume kam mir in den Sinn. Ich wurde aber nie unter einem Vorwand in die Show gelockt.

Was ich als Netzmensch tun konnte, war nach meiner Tochter zu googlen, vielleicht gibt es irgendwo im weiten Internet Hinweise auf sie, vielleicht vom Sportverein oder so. Und ich wurde tatsächlich fündig: Auf einem Anime/Manga-Portal fand ich ihr Profil und Manga-Zeichnungen, die sie gemacht hatte. Diesen Link speicherte ich am 20.07.2006 bei Delicious (natürlich nicht öffentlich). Zu den Zeichungen kamen irgendwann Cosplay-Fotos meiner Tochter, die mich immer neugieriger auf sie werden ließen. Ende September 2007 entdeckte ich ihr Weblog, dass sie seit Juli 2006 führt. Gleich in in ihrem ersten Eintrag wurde ich erwähnt:

Meinen Vater habe ich nie kennen gelernt. Meine Mutter hat mir immer vorgeschlagen, dass wenn wir in Kappeln sind, dass wir dann nach Flensburg fahren und zum Jugendamt gehen, damit ich ihn mal kennen lernen kann. Irgendwie interessiert mich das sehr, doch weiß ich nicht ob er das möchte. „Wenn hätte er sich doch gemeldet!“ sag ich mir dann. „Aber vielleicht ist er genauso unsicher wie ich.“ folgt dann darauf.

Mich traf fast der Schlag als ich das las. „Natürlich will ich dich kennen lernen und natürlich bin auch ich unsicher!“ rief ich ihr im Geiste zu. Und ich wollte nun unbedingt Kontakt mit meiner Tochter aufnehmen. Gleich Anfang Oktober 2007 schrieb ich ihr einen langen Brief, mehrere Seiten lang, handgeschrieben. Ich erzählte ihr, wie ich sie gefunden hatte, warum es so lange keinen Kontaktversuch meinerseits gab und dass ich sie natürlich sehr gern kennen lernen möchte. Leider gab es ein Problem: Ich hatte ihre aktuelle Anschrift nicht. Nach der Scheidung waren sie von der mir bekannten Adresse weggezogen. Das Jugendamt würde mir sicher helfen, dachte ich mir, leider wurde meine Anfrage nach der Adresse meiner Tochter überhaupt nicht beantwortet. Der Brief lag also monatelang absendebereit auf meinem Schreibtisch. Im Februar dieses Jahres ergab es sich dann, dass ich über mehrere Ecken endlich an ihre Adresse kam (was meine Tochter auch wußte) und den Brief absenden konnte. Ihre Antwort kam prompt per E-Mail. Sie erzählte ein wenig aus ihrem Leben, was sie so gemacht hatte und was ihre Interessen sind. Aber das Wichtigste: Sie sei zwar unsicher, aber einem Treffen nicht abgeneigt.

Die nächsten Monate hatten wir nun regelmäßigen Kontakt über E-Mail und ICQ. Gut, dass sie wenigstens die Internetaffinität von mir hat. Wir plauderten über unsere Hobbies und entdeckten erste Gemeinsamkeiten. Sie weckte in mir z. B. das Interesse für Mangas (Death Note, Goth).

Am 30. April 2008 trug sie in ihr Weblog ein, dass sie am nächsten Tag zu ihren Großeltern nach Kappeln fahren wird und:

Vielleicht treffe ich da ja auch meinen leiblichen Vater, mal schaun, muss ihm noch ne SMS schreiben. Ich hoffe doch, dass es klappt.

Mein Herz schlug Purzelbäume, wir würden uns endlich treffen, am Vatertag, wie passend. Das erste Treffen war sehr schön, wie ich schon berichtete. Am Samstag darauf fuhren wir beide dann mit meiner Frau und den Hunden an den Strand. Alle verstanden sich auf Anhieb sehr gut und wir genossen das schöne Wetter. Als meine Tochter dann wieder abreisen mußte, war ich schon sehr traurig, schließlich würde ich sie für Monate nicht wiedersehen. Der nächste Besuch war für Ende Juli geplant, aber da sie vom 01. bis 03. August zur AnimagiC fahren wollte und dafür noch Vorbereitungen treffen mußte, fuhr ihre Familie ohne sie in den Norden. Davon erfuhr ich aber erst am 22. Juli, als ich eine SMS von ihr bekam, ob ich mich mal bei ihr melden könnte. Ich rief sofort bei ihr an und sie erzählte mir, dass sie mit ihrer jüngeren Schwester und dem Hund allein zuhause ist und ihr mittlerweile die Decke auf den Kopf fallen würde. Ich erklärte mich dann spontan bereit, sie am nächsten Tag aus Münster – bis dahin konnte sie mit ihrem NRW-Ticket mit der Bahn fahren – abzuholen. Zum Glück macht mein Chef bei einem kurzfristigen Urlaubstag kein großes Trara und ich konnte am Mittwoch 400 km hin und 400 km zurück fahren und die Mädels samt Hund in Kappeln abliefern. Freitag holte ich meine Tochter dann dort wieder ab und sie verbrachte das Wochenende bei uns in Schleswig. Es war wunderschön und am liebsten hätte ich sie nie wieder gehen lassen. Zum Abschied schenkte sie uns ein sehr schönes selbstgemaltes Bild von Sakura.

Montag habe ich sie sehr vermisst und da sie noch bis Donnerstag in Kappeln bleiben sollte, fragte ich per SMS nach, ob sie am Dienstag Zeit und Lust hätte, mit mir Eis essen zu gehen, wir beide lieben Spaghetti-Eis. Die Antwort kam nach quälenden Stunden erst am Dienstag vormittag. Also ging es abends nochmal nach Kappeln ins Eiscafé, anschließend noch einige Male „Kappeln rund“, danach hieß es allerdings wieder schweren Herzens Abschied nehmen.

Seit heute Nacht ist sie nun wieder zurück in NRW und wird heute zur AnimagiC nach Bonn weiterfahren, die bis Sonntag geht. Ich freue mich auf eine Chat-Session mit ihr am Montag und die neuen Cosplay-Fotos vom Wochenende. Und im Herbst will sie wieder zu mir kommen. Darauf freue ich mich am meisten.

Eigentlich fühle ich mich im Moment zu jung, um eine 19-jährige Tochter zu haben, liegt vielleicht auch an den neugeborenen Zwillingen, die rechnerisch auch meine Enkel sein könnten. Aber ich habe sie sehr lieb und bin mächtig stolz auf meine Erstgeborene. Vor allem möchte ich sie nicht mehr missen. Für sie ist es wahrscheinlich merkwürdig, sich in einem Alter, in dem man sich eigentlich von den Eltern abnabelt, mit dem leiblichen Vater konfrontiert zu sehen, aber ich hoffe inständig, dass sich unser Verhältnis weiter so gut entwickelt wie bisher, ganz gleich ob in freundschaftliche oder väterliche Richtung.

„Blut ist dicker als Wasser.“

  • pantoffelpunk

    Hey Mann, ich freu mich für Dich!!!

  • Micha

    Danke, danke!

  • Mathias

    Na du hast auch schon einiges Durch gemacht. Beim Lesen kommen einem ja fast die Tränen. Schön, dass Du Dich nun um 3 "Kiddies" kümmern kannst! Mach was drauß! ;-) LG Mathias

  • Dirk Schuhmacher

    Lieber Micha, das ist so wunderschön, auch wie Du es geschrieben hast ... Ich freue mich doll für Euch ! Liebe Grüße Dirk

  • Micha

    Herzlichen Dank auch an euch, @Mathias und @Dirk. Ich bin froh, dass euch die "Schreibe" gefällt. Ich werde hier bestimmt noch oft auf das Thema zurück kommen.

  • Jan

    Kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Herzlichen Glückwunsch auch von mir! :-)

  • Nicole

    Mein lieber Michael, seit halben Ewigkeiten haben wir uns schon nicht mehr gesehen (was ich äußerst schade finde)und nun erfahre ich durch das WWW welch' wunderbare Dinge sich in Deinem Leben seitdem ereignet haben... Du bist endgültig Nichtraucher (Gratulation!), Du hast 2 Hunde (Gratulation!! Aber einen habe ich auch...), Du hast Deine älteste Tochter gefunden (Gratulation!!!), Du hast die Sandra geheiratet (Gratulation!!!! Euch beiden!!!! Alles Gute!!!!) und zu guter letzt bist Du auf einen Schlag Papa von zwei Jungs geworden! Was soll ich dazu sagen, ohne mich zu wiederholen...??? Ich wünsche Euch alles, alles Gute und alles Liebe ins schönste Bundesland der Welt aus dem trüben Bielefeld (das reimt ich sogar...) Würde mich sehr freuen, von Euch zu hören! Nicole +++ P.S. Hast 'ne tolle Seite hier!!!

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