Monat: März 2010

Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates

Nach dem gestrigen Urteil gegen die sog. Sauerland-Gruppe sehen sich diejenigen bestätigt, die am Dienstag eine rasche Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung gefordert hatten. Nur durch die Wohnraum- und Kommunikationsüberwachung konnten die Terroristen festgenommen und womöglich ein Blutbad verhindert werden. Allerdings, so Steffen Hebestreit in der Frankfurter Rundschau, habe das Urteil gezeigt,

…dass der Rechtsstaat ungeachtet aller Unkenrufe durchaus in der Lage ist, gegen seine Feinde zu bestehen. Ohne Vorratsdatenspeicherung. Ohne BKA-Gesetz. Ohne Online-Durchsuchung. Sondern allein durch saubere Polizeiarbeit.

Und fügt hinzu, dass „die Ermittler mehr als einmal Glück bei ihrer Fahndung“ hatten. Aber auch die Bürgerrechte hätten Glück gehabt, denn:

Es braucht nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, welche politischen Debatten Deutschland geführt und welche Gesetze es in Windeseile erlassen hätte, wenn es Fritz Gelowicz und Konsorten gelungen wäre, ihre mörderischen Pläne in die Tat umzusetzen: Die Bürgerrechte wären auf eine nie gekannte Art und Weise beschnitten worden.

Bei aller Hoffnung, durch Überwachungsmethoden Verbrechen verhindern zu können, darf aber nie vergessen werden, dass derjenige, der etwas Böses im Schilde führt, durchaus in der Lage ist, sich auf die Maßnahmen einzustellen und diese zu umgehen. So wird im Grundkurs für islamistische Terroristen garantiert behandelt, dass man sich so viele Prepaidkarten, die auf andere Personen registriert sind, wie möglich besorgen soll, um die Auswertung des Bewegungsprofiles und der Kommunikation zu erschweren. Wer dagegen als unbescholtener Bürger in die Mühlen des Überwachungsstaates gerät, wird es in der Regel erst bemerken, wenn es zu spät ist und die Polizei vor der Tür steht, wie im Fall Andrej Holm beispielsweise. Ein ähnliches Schicksal beschreibt ein hörens- oder lesenswertes Feature des Deutschlandfunks: „Kafka, Kanzler und da knackt nichts (Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates)„:

Ein junger Mann erfährt durch eine Panne bei seinem Mobilfunkbetreiber, dass er von Verfassungsschutz und BKA abgehört wird. In einer Zeitung, der Polizisten die Abhörprotokolle verkauft haben, liest er ein Gespräch seiner Freundin im Wortlaut. Die Schlagzeile, seine Verhaftung als angeblicher Gründer der terroristischen Vereinigung „Militante Gruppe“ stehe unmittelbar bevor, lässt ihn wochenlang bei jedem Geräusch hochschrecken.

Alles aufgrund einer Verkettung von Umständen, die von den Ermittlungsbehörden falsch gedeutet wird.

Übrigens habe ich noch über Cory Doctorows Vision von verwanzten Laptops an Schulen aus „Little Brother“ geschmunzelt, bis es Realität wurde.

Radio-Tipp: „Streit um das Urheberrecht – Wie können Künstler entschädigt werden?“

NDR-Info sendet heute ab 20:30 Uhr in der Reihe „Das Forum“ einen halbstündigen Beitrag zum Thema „Streit um das Urheberrecht – Wie können Künster entschädigt werden?„:

Deutschland hat seit Mitte der 60er- Jahre ein Urheberrecht. Dieses Recht soll geistiges Eigentum schützen, zum Beispiel die Texte von Schriftstellern und die Kompositionen von Musikern. Damit ist beabsichtigt, die Urheber an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke teilhaben zu lassen. Kopieren und Verbreiten fremder Werke ist ausdrücklich verboten. Doch mit PC und Internet sind die Rechte der Urheber bedroht. Illegale Tauschbörsen sorgen dafür, dass Raubkopien gezogen werden. Der wirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden.Wie können die Rechte der Urheber geschützt werden? Durch eine Kulturflatrate, wie sie auch in anderen Ländern diskutiert wird?

NDR-Info kann als Livestream empfangen werden, außerdem wird die Sendung nach Ausstrahlung als Podcast bereitgestellt werden.

Update: media.ndr.de/download/podcasts/podcast2990/AU-20100305-0920-4001.mp3

Auf Wiedersehen, Vorratsdatenspeicherung

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War der 02.03.2010 nun ein großer Tag für die Bürgerrechte oder nicht? Nach dem ersten Jubel über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über „meineVerfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung (VDS), konnte man auch leisere, kritischere Töne, wie von Thomas Stadler hören, denn das BVerfG hat „nur“ die vorliegende Form der Gesetzgebung für nichtig erklärt, jedoch nicht, dass von deutschem Boden nie wieder eine Vorratsdatenspeicherung ausgehen dürfe.

Der Bundesinnenminister möchte nun auch ganz schnell ein neues Gesetz ausarbeiten, denn die Polizei warnt schon vor Sicherheitslücken, doch die Justizministerin – selbst Beschwerdeführerin gegen die VDS – sieht keinen Grund zur Eile. Die Internetwirtschaft hält die Vorgaben gar für nicht umsetzbar. Jede Lobbygruppe hat eben ihre eigene Sichtweise.

Am Treffendsten hat es wohl die Süddeutsche zusammengefaßt (Zitat via Burks‘ Blog):

„Der Jubel der Beschwerdeführer ist berechtigt, muss aber doch im Hinblick auf die mittel- und langfristigen Folgen im Hals stecken bleiben. Die Beschwerdeführer haben gewonnen, aber nicht gesiegt: Zum ersten Mal wird vom Karlsruher Gericht die Speicherung von Daten auf Vorrat zu noch unbestimmten Zwecken für zulässig erklärt, ohne dass es einen konkreten Anlass oder gar einen Verdacht geben muss. (…) Die Richter riskieren den Konflikt mit der EU und dem Europäischen Gerichtshof nicht. Sie warnen und drohen: Bis hierher und nicht weiter. Das reicht nicht mehr.“

Insofern muß es nicht „Tschüß, Vorratsdatenspeicherung“ heißen, sondern „Auf Wiedersehen…“. Wir werden dich auch gebührend in Empfang nehmen. 😉