Zuerst ignorieren sie dich…

Heute morgen schlage ich unsere Zeitung auf, die Schleswiger Nachrichten, und entdecke im Lokalteil die Rubrik „Fragen an die Landtagskandidaten“, heute mit Jan Hundsdorfer vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Prima, denke ich in meiner ersten Begeisterung, dann bekomme ich als Direktkandidat der Piratenpartei im Wahlkreis 7 (Schleswig) ja sicher auch bald eine Anfrage des sh:z und kann mich, wenn auch erst kurz vor Toresschluß meinen potentiellen Wählern vorstellen.

Nachmittags erreicht mich dann über Twitter eine Pressemitteilung der Piratenpartei Schleswig-Holstein und der Freien Wähler Schleswig-Holstein, in der von einer „Stallorder“ der Chefredaktion die Rede ist, welche verhindert, dass sämtliche dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) gehörenden 14 Tageszeitungen, also auch die Schleswiger Nachrichten, über die Freien Wähler und die Piratenpartei berichten dürfen.

Und tatsächlich: Bei nochmaliger genauerer Betrachtung lautet der erste Absatz der Landtagskandidatenvorstellung:

Mit einem Fragebogen stellt unsere Zeitung die Direktkandidaten von CDU, SPD, FDP, Grünen, SSW und Linken im Landtagswahlkreis 6 (Schleswig-Nord) für die Landtagswahl am 27. September vor.

OK, die Lokalredaktion interessiert sich also nur für die Parteien, die im Landtag vertreten sind und für die Linke, weil sie vermutlich am 27.09. mehr als 5% schafft (das traut man uns wohl nicht zu). Die andere Frage lautet, warum die Schleswiger Nachrichten nicht auch die Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis 7, zu dem auch die Stadt Schleswig zählt, vorstellt? Oder war das schon, oder kommt das noch?

Dieses Vorgehen des sh:z zeigt leider sehr deutlich, dass die Piratenpartei noch immer zu den „Sonstigen“ gehört, obwohl wir im Internet längst mit den Großen spielen, zum Beispiel in der Wahlzentrale bei StudiVZ/MeinVZ, wo wir nicht nur die mit Abstand meisten Anhänger haben, sondern auch bei den Sonntagsfragen regelmäßig vordere Plätze erreichen. Das konnten die „offiziellen“ Sonntagsfragen bei ARD und ZDF bisher nicht bestätigen.

Die mittlerweile erfolgte offizielle Stellungnahme des sh:z erwähnt übrigens weder die Freien Wähler, noch die Piratenpartei, die ja mit ihrer gemeinsamen Pressemitteilung die „Irritationen über die Wahlberichterstattung des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (sh:z) zur Landtagswahl“, wie der Verlag es formuliert, erst aufgebracht hatten, was ebenfalls nicht so dargestellt wird. Besonders kurios finde ich diesen Absatz:

Nicht die Wünsche der Kandidaten und Parteien, möglichst oft in der Zeitung zu stehen, gilt es zu befriedigen, sondern das Interesse der Wähler, sich ein eigenes Urteil bilden zu können.

Es geht ja nicht darum, jeden Direktkandidaten auf Schritt und Tritt zu begleiten oder tägliche Home-Stories zu bringen, aber dass man alle Kandidaten zumindest kurz vorstellt, wie in Form des Fragebogens, trägt doch letztlich zur Meinungsbildung der Wähler bei.

Naja, ich bin ja noch zweimal, morgen (9 bis 13 Uhr) und den Samstag vor der Wahl (open end), in der Schleswiger Ladenstrasse (Stadtweg vor Hertie) anzutreffen, da kann sich dann jeder Wähler sein eigenes Urteil bilden.

Gemäß dem Gandhi-Zitat „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ stehen wir also beim sh:z noch ganz am Anfang.

  • Christian

    Hi Micha, Du darfst eins nicht vergessen: Internet das Leben auf der Straße. Und die Wahlen finden da draußen statt. Und seien wir ehrlich, die Piraten sind in Deutschland erst seit der Aktion von Zensursula wirklich ins Licht der allgemeinen Öffentlichkeit gerückt. Und bei aller Hoffnung Euch im Landtag und Bundestag zu sehen, ich weiß nicht ob dieser relativ kurze Zeitraum ausreicht dem Otto-Normalbürger klar zu machen, wie wichtig es ist, eine IT-affine Kompetenz in der Politik zu haben. Ich fürchte, das wird noch eine Wahlperiode dauern.

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